Ein Rückzug ist oft ein Schutzverhalten

Wusstest du schon, dass dein Rückzug kein Fehler ist, sondern ein Schutz?


 

Du sitzt in einem Café mit einer neuen Bekanntschaft und merkst nach kurzer Zeit, wie dein Körper unruhig wird. Du lächelst noch, aber innerlich willst du aufstehen und gehen. Das ist keine „Laune“ - dein Körper scannt die Situation und meldet dir: „Das fühlr sich unbgekannt an - Achtung: Risiko!" Oder: Du bekommst eine Einladung zu einer Familienfeier. Dein erster Impuls ist eigentlich abzusagen. Nicht, weil du niemanden magst, sondern weil du spürst, dass alte Dynamiken dich belasten könnten. Oder: Ein Kollege schlägt vor, nach Feierabend noch etwas trinken zu gehen. Du sagst freundlich, dass du müde bist - und fühlst dich danach schlecht, weil „man sowas ja nicht ablehnt“. Kennst du das oder Ähnliches von dir? Solche Situationen zeigen, dass dein Rückzug meist nicht gegen andere gerichtet ist, sondern für dich selbst. Er ist dein innerer Sicherheitsgurt.

 

Viele Menschen halten sich selbst aber genau deshalb für „komisch“ oder „schwierig“, wenn sie nicht so spontan auf andere zugehen können wie das andere machen. Vielleicht sagst du Sätze wie „Ich brauche erst mal Zeit, um mit Menschen warm zu werden“ oder „Manchmal fühle ich mich einfach wohler allein.“

 

Andere verstehen das nicht immer gleich oder auch gar nicht und interpretieren es als Desinteresse. Doch oft steckt dahinter kein Mangel an sozialem Bedürfnis - sondern eine Schutzreaktion, die irgendwann einmal überlebenswichtig war. Und weil unser Geist und unser Körper sich das gemerkt hat, wann es einmal überlebenswichtig war, ruft er es in ähnlichen Situation auch ab.

Wenn dir Nähe früher wehgetan hat, ist es nur logisch, dass du heute vorsichtig bist. Vielleicht gab es in deiner Kindheit wenig verlässliche Zuwendung. Vielleicht haben Menschen, denen du vertraut hast, deine Grenzen verletzt - durch Kritik, Abwertung oder sogar körperliche Übergriffe. Nähe, die eigentlich Geborgenheit schenken sollte, wurde für dich zu etwas Gefährlichem oder Unberechenbarem. Dein Rückzug ist dann kein Zeichen von Schwäche, sondern ein hochintelligenter Mechanismus deines Körpers! Dein Körper und dein Nervensystem sagen damit „Achtung – prüfe erst, ob es sicher ist“. Im Grunde machen wir es wie Schnecken, die ihre Fühler austrecken und ihre Umgebung erst einmal abchecken. 


Vertrauen wächst langsam. Es braucht Zeit. Ein Tier zu zähmen - auch wenn der Vergleich etwas hinken mag - geht auch nicht von jetzt auf gleich. Deshalb nehmen wir uns in der traumatherapeutischen Arbeit auch die Zeit dafür. Unser Blick ist deshalb auch nicht zuerst darauf gerichtet, „wie du offener wirst“. Stattdessen fragen wir vielmehr: „Was brauchst du, damit es sicher wird?“ Manchmal sind es kleine, kontrollierte Schritte, z.B. eine Begegnung nur für kurze Zeit, klare Absprachen, wann etwas beginnt und endet, die Möglichkeit, jederzeit „nein“ zu sagen, ohne es rechtfertigen zu müssen usw. Mit jeder guten Erfahrung lernt dein Nervensystem: Nähe kann heute anders sein als damals.

 

Kennst du dich Geschichte vom Der kleine Prinz  von Antoine de Saint-Exupéry? Unten kannst du eine Zusammenfassung nachlesen. Genau um diese Zeit des langsamen Aneinandergewöhnens geht es!

Du darfst dir diese Zeit nehmen. Dein Tempo ist genau richtig.
Du musst dich nicht zwingen, auf Knopfdruck Vertrauen zu haben. So wie eine Pflanze nicht schneller wächst, wenn man an ihr zieht, kann auch Vertrauen nicht beschleunigt werden. Aber es kann gedeihen - wenn es regelmäßig genährt und geschützt wird.


Traumatherapie kann dir dabei helfen.


Wenn du Fragen hast – ich bin für dich da.


Zur Geschichte vom "Kleinen Prinz und dem Fuchs":

Der kleine Prinz trifft eines Tages auf einen Fuchs. Der Fuchs bittet ihn: „Zähme mich!“ – und erklärt, dass sie füreinander noch völlig fremd sind. „Für dich bin ich nur ein Fuchs wie hunderttausend andere. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein und ich für dich.“ Der Prinz will wissen, was „zähmen“ heißt. Der Fuchs antwortet: „Zähmen - das bedeutet: sich vertraut machen.“ Das geschehe nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt: Man setzt sich in einer gewissen Entfernung hin, kommt Tag für Tag zur gleichen Zeit an den gleichen Ort, immer ein wenig näher, und lässt sich Zeit. „Man muss sehr geduldig sein“, sagt der Fuchs. So entstehen Nähe und Vertrauen.