
Wusstest du schon, dass nicht nur schlimme Erlebnisse wie Unfälle, Gewalt oder Missbrauch traumatisieren können? Oft denken wir bei dem Wort „Trauma“ an dramatische
Szenen, an Ausnahmezustände, an das, was passiert ist. Doch manchmal ist es genau das Gegenteil. Das, was nicht passiert ist, was gefehlt hat, was eigentlich hätte da sein sollen. Das genau macht
das traumatische Erleben aus.
Wenn ein Kind nie wirklich gesehen wird - als Mensch mit Bedürfnissen - dann hinterlässt das Spuren. Wenn niemand fragt: Wie geht es dir wirklich? Wenn niemand sagt:
Ich bin da. Du bist nicht zu viel. Du darfst traurig, wütend, ängstlich sein… Wenn Tränen übergangen, Gefühle abgewertet oder Nähe verweigert werden - dann lernt das Kind: So wie ich bin, bin ich
nicht richtig. Meine Bedürfnisse sind zu viel. Ich muss stark sein. Oder brav. Oder unsichtbar.
Das nennt man Bindungstrauma.
Es ist wesentlich leiser als andere Traumata. Es kommt ohne Sirenen, ohne Zeitungsartikel, ohne Notaufnahme. Es zeigt sich in der Regel erst viel später: In Beziehungen im Erwachsenenalter, in
diffusen Ängsten, in der Unfähigkeit, Nähe zuzulassen oder Grenzen zu setzen. In einem Gefühl von innerer Leere, das sich nicht benennen lässt.
Ein Beispiel: Anna (Name geändert), 34, erfolgreiche Projektleiterin. Sie ist verlässlich, leistungsstark, immer freundlich. Seit Jahren leidet sie unter
Schlafstörungen und starken Rückenschmerzen. Im Brustbereich spürt sie ein ständiges Druck-Gefühl. In der Therapie erzählt sie irgendwann von ihrer Kindheit: „Meine Eltern haben alles richtig
gemacht. Ich hatte immer was zu essen, ein eigenes Zimmer, war nie in Gefahr. Aber... ich erinnere mich nicht, dass mich mal jemand in den Arm genommen hat, wenn ich traurig war. Oder dass jemand
gefragt hat, wie es mir wirklich geht. Ich war halt das unkomplizierte Kind. Ich hab funktioniert.“ Anna hat sich angepasst, ist in den Modus des „angepassten Kindes“ gegangen.
Was sie beschreibt, ist kein körperlicher Missbrauch. Und doch hat ihre Seele hat etwas vermisst. Das, was ein Kind dringend braucht, um ein stabiles inneres
Fundament aufzubauen: Echtes Gesehenwerden, echter Trost, wirkliche Zuneigung.
In der Traumatherapie sprechen wir bei solchen Erfahrungen von Entwicklungstrauma oder Bindungstrauma. Es geht nicht um Schuldzuweisung. Es geht darum zu verstehen,
warum die Seele heute reagiert, wie sie reagiert oder warum Nähe Angst machen kann. Manche Gefühle sind für Anna kaum aushaltbar. Sie fragt sich, warum sie ständig das Gefühl hat, nicht genug zu
sein - obwohl sie doch alles macht, alles gibt.
Die gute Nachricht: Bindungstraumata sind behandelbar. Und Heilung ist möglich. Nicht, indem man „einfach mal loslässt“ oder „positiv denkt“ oder schnell verzeiht
und vergisst. Sondern durch behutsames Verstehen, durch neue Erfahrungen in einem sicheren Raum. Dort, wo jemand zuhört, wo Gefühle nicht bewertet, sondern gehalten werden. Wo du Schritt für
Schritt spüren darfst: Ich bin nicht falsch. Ich darf so sein, wie ich bin.
Traumatherapie kann dir dabei helfen.
Wenn du Fragen hast - ich bin für dich da.